Interview mit Dieter Haker

Bestand von Anfang an Hoffnung auf eine Wiedervereinigung?

Ja, gewiss. Die offizielle westdeutsche Politik zielte auf eine friedliche Wiedervereinigung der beiden Staaten. Und für mich war es wie für viele Menschen selbstverständlich, dass die beiden Deutschlands vereinigt werden sollen. Man hat damit gerechnet, weswegen es keine Überraschung war.

Eine interessante Bemerkung dazu: in Westdeutschland wurde damals der Ausdruck “Kalter Krieg” fast als Schimpfwort im Vergleich zu Ostdeutschland gebraucht. In der DDR war man stolz, ein „kalter Krieger“ zu sein. In Westdeutschland überwog der Wunsch nach Frieden und Freiheit. Ich wohnte damals direkt an der innerdeutschen Grenze und es gab viele Leute, die in den Osten reisen konnten. Aber nur wenige waren tatsächlich in Rostock oder auf der Insel Rügen, dafür besuchten viele Paris. In Westdeutschland war es gemütlich, so dass viele Leute wirklich gegen eine Wiedervereinigung waren. Die meisten Westdeutschen (vor allem aus Bayern) hatten für Ostdeutschland überhaupt kein Interesse.

Wie haben Sie die Ereignisse in der Sowjetunion beobachtet? Wussten Sie überhaupt was dort vor sich ging?

In der BRD sagte man nie „DDR“, denn die Deutsche Demokratische Republik war keineswegs demokratisch. Die DDR war für alle nur die “Ostzone”, und in Schwerin waren in dieser Zeit bis April 1993 sowjetische Truppen stationiert.

Hat sich auch etwas in Westdeutschland nach dem Mauerfall verändert?

Ich beobachtete alles von meinem Ingenieurbüro in Westdeutschland und merkte keinen Unterschied zwischen Ost und West. Ich hatte ziemlich enge Kontakte mit der Bevölkerung und auch mit Behörden vor und nach dem Mauerfall. Ich sah keine Besonderheiten der Menschen im Osten oder im Westen. Ich merkte keinen Unterschied. Und ich finde es schlimm, dass in der Presse heute noch Vergleiche angestellt werden und zwischen Ost und West unterschieden wird. Es gibt viele Stereotypen. Das empfinde ich als völligen Unsinn und Quatsch.

Was war während der Revolution besonders wichtig und was führte letztlich dazu, dass die Mauer gefallen ist?

Ich wohnte direkt an der Grenze im Westen und in dieser Zeit war ich bei den großen Demonstrationen für Freiheit und die Wiedervereinigung dabei. Dort spielte die evangelische Kirche eine große Rolle. Es galt der Spruch “Frieden schaffen ohne Waffen”, und „keine Gewalt“. Das war für uns eigentlich das Wichtigste.

War es für Sie offensichtlich, dass Deutschland an der Schwelle der Wiedervereinigung steht?

Ich habe bereits gesagt, dass wir von Anfang an immer für eine Wiedervereinigung waren. Das war ja auch die offizielle Politik, dass die Wiedervereinigung kommt. Für mich war das selbstverständlich. Der Mauerfall war nicht nur ein Schritt zur Wiedervereinigung der beiden Deutschlands, sondern auch eine neue Seite in der Geschichte Europas.

Was kann man von der Wiedervereinigung Deutschlandes lernen, wenn man ein demokratisches Land aufbauen will?

Es ist gut, die Erfahrungen Deutschlands zu betrachten. Wie und was Deutschland getan hat. Das ist teilweise ein gutes Vorbild, wenn man ein demokratisches Land aufbauen will. Natürlich gibt es auch unterschiedliche Meinungen über Deutschland. Einige Leute sind zufrieden, andere nicht. Wichtig ist aber, dass die Mehrheit dieselbe Sprache spricht und die Regierung zum Wohle der Menschen arbeitet. Eine weitere wichtige Sache ist aus meiner Sicht die Dezentralisierung in Deutschland. Das war ein wirklich wichtiger Schritt für die Zukunft.